CHiLLi.cc Europas unabhängige Jugendseite führte in KULTUR am Mittwoch, 26.11.2008 ein Interview mit Rudi Dolezal (Foto links), in dem dieser Zweitfrau mehrfach erwähnte.
„Unzufriedenheit wächst endlich“
Rudi Dolezal über Macht, Wolfgang Ambros, sein Bankkonto und sein vernachlässigtes Gitarrenspiel
CHiLLi: Fehlen heutzutage nicht die Künstlertypen, wie Lang und Falco welche waren?
Rudi Dolezal: Natürlich müssen die Leute etwas haben. Aber ich finde dass zum Beispiel Zweitfrau durchaus Potenzial hat, auch Hansi Langs „Slow Club“ hätte Potenzial gehabt, obwohl er schon fünfzig war. Österreich wird international einfach nicht ernst genommen, man muss zumindest einmal hier einen Nummer-Eins-Hit schaffen, sonst braucht man erst gar nicht an die internationalen Märkte gehen. Das war ja bei Falco nicht anders. Aber Zweitfrau oder der Slow Club haben in Österreich gar keine Chance Nummer eins zu werden, weil ihnen die Plattform fehlt, vielleicht sollte man wieder einmal einen Sender gründen (lacht).CHiLLi: War das damals Ihr Beweggrund Viva zu gründen?
Rudi Dolezal: Ja, weil ich so angefressen auf die Situation war. Wobei auch Viva mittlerweile künstlerisch bankrott und zum Vergessen ist, aber für fünf, sechs Jahre hat Viva einiges bewegt. Ich hätte halt die ganze Zeit dort sein müssen. Außerdem machen die großen Konzerne alles kaputt. Aber gerade wenn ich an Zweitfrau denke, habe ich das Gefühl, dass die Unzufriedenheit mit der derzeitigen Situation endlich wieder wächst …
CHiLLi: Unzufrieden sind auch die Plattenfirmen …
Rudi Dolezal: Ja, aber die hatten zehn Jahre Zeit, sich auf die jetzige Situation einzustellen. Ich habe bereits vor gut zehn Jahren gesagt, wenn die Plattenfirmen nicht umdenken, werden sie sich selbst ins Abseits schießen und unnötig werden. Und jetzt nehmen sie den Künstlern auch noch immer mehr Rechte weg.CHiLLi: Aber trotz allem scheinen sie noch gebraucht zu werden.
Rudi Dolezal: Phänomene wie Kruder-Dorfmeister (Weltweit gefragtes Produzenten- und Musikerduo aus Wien, Anmerkung der Redaktion) beweisen doch, dass man im Wohnzimmer eine Platte mit Leuten aus Rio aufnehmen kann, die man nie persönlich getroffen hat – in Wirklichkeit braucht man doch fast gar nichts. Und wenn die Plattenfirmen nichts mehr zu bieten haben, kann ich die Künstler verstehen, wenn sie „fuck you“ sagen.CHiLLi: Wer hat in Österreich zuletzt „fuck you“ gesagt?
Rudi Dolezal: Wolfgang Ambros gibt seit zehn Jahren keine Rechte mehr an Verleger ab, mit dem Effekt, dass er jetzt deren fünfzig Prozent auch noch einstreift und die nicht fragen muss, ob er auf einer DVD seine eigene Musik verwenden darf (lacht).CHiLLi: DoRo hat für viele internationale Superstars und die meisten nationalen Stars gearbeitet. Wie viel Macht haben Sie in der österreichischen Musikszene?
Rudi Dolezal: Das könnte ich dir sogar genau sagen, wenn ich den Kontostand des DoRo-Bankkontos auswendig wüsste. Ich kann es mir erlauben, Freunden was zu machen, die ein wenig abseits des Fokus geraten sind, auch wenn ich dabei keinen Cent verdiene. Aber mit Macht hat das nichts zu tun. Ich glaube, dass es eine gewisse Anerkennung gibt, in Österreich natürlich auch sehr viel Neid. In Amerika werde ich vielmehr nach dem, was ich schon gemacht habe und nach meiner Qualität bewertet – und da habe ich null Angst vor einem Vergleich.CHiLLi: Berühmt waren Sie auch für Ihre Musikvideos, ist Ihnen die Lust vergangen?
Rudi Dolezal: Nachdem ich mit allen Bands, die mich damals interessiert hatten, zusammen gearbeitet habe, habe ich für mich persönlich entschieden, keine Videos mehr zu machen. Wobei wenn hin und wieder was Interessantes von einer großen Band kommt, dann tun wir das schon. Ich möchte jetzt mehr Longform machen, schließlich habe ich meiner Mutter versprochen, den Oscar zu gewinnen. Auch wenn mir mein ehemaliger Mitarbeiter Ruzowitzky da jetzt zuvor gekommen ist…CHiLLi: Neidisch?
Rudi Dolezal: Überhaupt nicht, ich gratuliere ihm herzlich dazu. Außerdem wer weiß, ich arbeite zur Zeit an einer Semi-Dokumentation über Veronica De Laurentiis. (Autorin von „Ich will mein Leben zurück“, Anmerkung der Redaktion) Das ist unter Umständen so eine Geschichte, wo’s klappen könnte, weil da geht es um Frauenrechte, der Name ist bekannt und dann kommt es halt darauf an, wie ich das mache. Das ist eine interessante Sache, ich glaube dass ich mich dabei weiterentwickle.CHiLLi: Sie waren einmal ein ausgezeichneter Gitarrenspieler, warum hat’s nie für eine Karriere gereicht?
Rudi Dolezal: Ich habe zwölf Jahre lang klassische Gitarre gelernt, unter anderem am Konservatorium, aber auch wenn mir das heute niemand mehr glaubt: Ich war damals zu schüchtern um in meiner Clique zu sagen, dass ich ja auch Gitarre spielen könnte. Darum war ich nie in einer Rockband.CHiLLi: Schade eigentlich.
Rudi Dolezal: Wer weiß. Ich habe relativ bald nach der Schule begonnen für den ORF Filme zu machen und irgendwann bin ich dann drauf gekommen, dass ich seit drei Jahren nicht mehr Gitarre gespielt habe. Es ist mir einfach nicht abgegangen. Ich habe das später so interpretiert, dass ich offensichtlich eine künstlerische Ausdrucksform gefunden habe, die mich noch mehr fasziniert hat, als Gitarre spielen. Aber ich bin jetzt wieder fleißig am Üben …CHiLLi: Haben Sie jetzt doch noch eine Band gegründet?
Rudi Dolezal: Nein, aber meine Mutter hat kurz vor ihrem runden Geburtstag gesagt: „Mein Gott der Bua hat einmal so schön spielen können.“ Das war vor fünf Jahren. Eigentlich wollte ich ihr damals eine Freude machen und zu ihrem Achziger spielen, aber ich war einfach viel zu schlecht. Vielleicht beim nächsten Geburtstag, vorgenommen hab ich es mir immer auf jeden Fall.
(Zitatende)