Elektro-Rock aus Österreich
„Generation Fettabsaugung“
Von Maike Redeker auf Zommer.de
Elektro-Rock aus Österreich: „Generation Fettabsaugung“
Sie wollten schon immer nach Deutschland, fuhren im geliehenen Bus nach Berlin, um in Abrisshäusern zu spielen. Inzwischen gibt es die Band „Zweitfrau“ vier Jahre, und am Freitag werfen die drei Wiener eine neue Single in Deutschland und Österreich auf den Markt: „Dicke Weiber und Roulette“. Unverschämte Texte, verpackt in süffigen Elektro-Rock. Doch die Botschaften dahinter sind ziemlich ernst. zoomer.de hat sie in Berlin getroffen.
Sie selbst ist eher schick als dick. Sängerin Diana Lueger hat aber wohl ein Faible für korpulente Damen. Jedenfalls singt sie in ihrem neuesten Song „Ich geh’ als Mädchen mit Mädchen ins Bett und denk an schicke Weiber: Dicke Weiber und Roulette“.
Die 28-Jährige ist die Frontfrau der österreichischen Band „Zweitfrau“. „Das Lied „Dicke Weiber und Roulette“ ist ein Kompliment, eine sexuelle Phantasie – es geht darum, zu sich zu stehen“, sagt sie mit blitzenden Augen. Heutzutage sei das nicht einfach: „In unserer Welt werden wir zugemüllt. Jeden Tag. Du darfst nicht zu dick sein, du musst eine bestimmte Creme verwenden, du musst dieses tun und jenes lassen. Das macht einen Riesenstress, gerade bei Frauen, aber auch bei immer mehr jungen Männern. Daher wollte ich zeigen, dass es so viele andere Dinge gibt, die wichtig sind.“Und so reimen die Wiener „Pornokino“ auf „Tarantino“ und halten sich auch nicht mit eindeutigen Aufforderungen zurück: „Komm mit mir ins Spielcasino, treib’s mit mir am Pianino“, so überzeugend, dass am Ende ein Männerchor einstimmt: „Wir gehen als Jungs mit Mädchen ins Bett, denken an schicke Weiber: Dicke Weiber und Roulette.“
„Dicke Weiber und Roulette“ (2007)
„Verdorben von der ganzen Werbung sind wir Generation Fettabsaugung“
“Es fällt mir schwer mich gehen zu lassen”
Hey Babe – ich steh auf all deine Sachen
Ich geh als Mädchen mit Mädchen ins Bett
Und denk an schicke Weiber – Dicke Weiber und Roulette (…)“Mitte 2004 gründeten Diana Lueger, Lex Machat und Martin Pauser die Band in Wien. Die drei Österreicher kennen sich schon seit der Schulzeit. Schon damals hörten die gerne die „Fantastischen Vier“ und „Fettes Brot“. Wie bei den deutschen Kollegen sollen auch die Texte von „Zweitfrau“ zum Nachdenken anregen: „Wir wollen auf keinen Fall platt wirken“, betont Gitarrist Martin Pauser. „Deshalb arbeiten wir mit Metaphern.“ Das klingt auch im Bandnamen an. „Eines Tages brachte unser Bassist Lex den Namen ins Spiel, und wir dachten, cool, damit kann jeder was verbinden. Und Musik soll einen ja berühren und beschäftigen“, erzählt Diana.
Nichts für polygame Patriarchen
„Zweitfrau“, das ist nicht etwa eine Hommage an einen polygamen Patriarchen. Die Band verarbeitet vielmehr in orgiastisch-provokativen Songtexten die Konsumfixierung der heutigen Gesellschaft. Die Texte werden auch bereits auf einer von der Band gegründeten Online-Plattform heftig diskutiert. Selbstdarsteller äußern hier ihre Ansichten, Obsessionen und Unterstellungen oder legen Beichten ab.
< „Schnitt“ (2007)
„Ich leb in einer perfekten Illusionswelt
Die durch schnell bewegte Bilder den Ton hält
Weil mein echtes Leben nicht in mein Konzept passt
Bin ich die, die jeden Abend durch die Channels rast
Meine Zukunft aus der Glotze
Ich konsumiere Träume bis ich kotze
Im TV kann ich mein Dasein tauschen? Ich will mich nicht am Werbescheiß berauschen
Schnitt – Wahrnehmung ist niemals zweidimensional
Schnitt – ich glaub ich bin im falschen Programm – keine Angst vor dem Untergang“Eine einzige Unterstellung ist etwa auch „Vor dem Spiel“, der B-Track der Single „Dicke Weiber und Roulette“. „Wir haben im Fernsehen ein Fußballspiel angesehen. Bei so einer Massenumarmung im Begattungsstil haben wir uns gefragt: Der hatte wohl keinen Sex vorm Spiel – oder doch? Tja, und dann führte eins zum anderen. Die ganzen tollen Worte: Manndeckung, Lattenpendler, Blutgrätsche… – da musste ein Song her. Einfach so, als Kommentar“, grinst Diana. Temporeich dribbeln die Fußballfans in „Vor dem Spiel“ vom „Torpiloten“ zu den „Ballchaoten“, passen „Blitz und Donner zu Maradona“.
„Vor dem Spiel“ (2008)
„Du bist schneller als Blitz und Donner
So akrobatisch wie Maradona (…)
Wie Du lachst, wenn Du´s machst, wie Du rennst, Du kämpfst (…)
Das Ding ist drin, mit viel Gefühl und Sex-Appeal
Du hattest Sex vor dem Spiel.“Überhaupt Fußball – „Wir haben einfach Spaß dran, am ganzen Rundherum, am Gewinnen und Verlieren – die vielen Chancen, die tollen Triumphe“, schwärmt Diana.
Trotzdem geht es auch den drei Patrioten gerade bei der Europameisterschaft im eigenen Land wohl doch nicht nur um den Sport: „Wir hätten eine Bitte an die deutsche Nationalmannschaft“, bringt Lex vor. „Die Österreicher haben sich so gefreut, dass sie einmal, im Jahr 1978, gegen Deutschland gewinnen konnten. Vielleicht könnten uns die Deutschen noch einmal ein 1:0 schenken. Das wäre wirklich wichtig für den österreichischen Nationalstolz“, grinst er.
Doch wie auch immer die EM ausgeht – eines ist sicher: Bei den Spielen werden die Musiker eifrig Wetten abschließen: „Inzwischen ist es bei uns schon zum Sport geworden, auf den Spieler zu tippen, der sicher Sex vorm Spiel hatte.“ Dann überlegt Diana: „Vielleicht machen wir ja mal ein Wettbüro auf.“ Ein Online-Voting ist jedenfalls schon auf ihrer Website.